Familie Grundmann

Die Familie Grundmann hat das gesellschaftliche und soziale Leben in Vlotho stark mitgeprägt und gehörte zu den ältesten und bedeutendsten jüdischen Familien in Vlotho. Michel Grundmann, der Vater von Erich Grundmann, erbaute ein Haus in der Moltkestraße, welches jedoch im Zuge der Arisierung an die evangelisch-reformierte Gemeinde überging. Das Haus steht noch heute und es lassen sich die Initialen des Erbauers Michel Grundmann, der im Jahr des Baus verstarb, erkennen.


Erich Grundmann 

Erich Grundmann wurde am 20. April 1880 in Vlotho geboren. Sein Todesdatum ist unbekannt.
Er war Kaufmann, ein Familienmensch und verließ Vlotho, um nach Süddeutschland zu gehen. Mit seiner Frau Dora, die eine geborene Mosheim war, zog er nach Offenbach. Dort bekamen sie drei Kinder. In den 20er Jahren betrieb er eine Zigarrenfabrik in der Nähe von Darmstadt, kam aber Mitte der 30er Jahre mit seiner Familie in seine Heimat Vlotho zurück.
Hier übernahm er eine leitende Funktion in der Papierfabrik der Gebrüder Mosheim. Als diese aufgrund der Arisierung zwangsverkauft wurde, vertrat er als Generalbevollmächtigter die Interessen der Firma.
Am 10.11.1938, nach der Reichspogromnacht, wurde er verhaftet und ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Dort blieb er bis zum 16.12.1938. Dies war keine Seltenheit, da nach dem Novemberpogrom vermehrt wohlhabende jüdische Hausbesitzer nach Buchenwald deportiert wurden, um sich freikaufen zu müssen und somit Geld an die damalige Regierung zu liefern. Am 26. Dezember 1940 berichtete er seinem Verwandtem Herbert Mosheim, der in Amerika lebte, mit ironischem Unterton über die Zwangseinweisung in das Silberbergsche Haus in der Langen Straße 81, wo er "eingepfercht" mit anderen jüdischen Familien wohnen musste. 
Zu seinen Lebzeiten wohnte er mit seiner Familie in der Herforder Straße 99, früher Bonneberg 16, wo sich auch die Stolpersteine befinden. Später zog Familie Grundmann ins Mosheimsche Haus in der Hochstraße 8. Am 21.11.1941 war dann klar, dass eine zuvor gewollte Auswanderung nicht mehr möglich war.
Am 30./31. März 1942 wurde Erich Grundmann zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern ins Warschauer Ghetto deportiert und entweder in Treblinka oder Auschwitz ermordet. 


 Dora Grundmann

Dora Grundmann, die als Dora Mosheim am 17.11.1888 in Landau/Waldeck geboren wurde, war genau wie ihr Mann ein sehr familienbezogener Mensch. Sie wollte mit ihrer Familie in die Vereinigten Staaten auswandern. Dies war jedoch nicht möglich, da sie bereits am 30./31.3.1942 ins Warschauer Ghetto deportiert wurde, wo sie viele ihrer Verwandten wiederfand. 

Die Deportation erfolgte über Bielefeld und die Grundmanns fanden vermutlich in Treblinka oder Auschwitz den Tod. 
Dora schrieb eine Postkarte an ihren Vetter, in der sie betonte, dass er sich keine Sorgen um seine jüngere Schwester Gerda Mosheim machen brauche, da sie nach dem Tod ihrer Mutter bei Dora bleiben würde.


Leoni Warschauer, Geb. Grundmann

Leoni Warschauer, die Tochter von Erich und Dora Grundmann, wurde am 10. Dezember 1917 geboren. Ihr Todesdatum ist wie das von vielen anderen jüdischen Personen unbekannt.
Sie war Modezeichnerin und lebte mit ihrem Ehemann Ernst Warschauer Ende der 30er Jahre in Berlin. Ihr Mann wurde im Dezember 1938 ins KZ Buchenwald verbracht und fand dort im selben Jahr den Tod. Angeblich starb er an einer Lungenentzündung, doch laut Gustav Loeb leistete er Widerstand.
Im September 1939 kehrte Leoni nach Vlotho zurück und wohnte in der Hochstraße 8. Sie wollte in den USA einen Neuanfang beginnen, wurde jedoch ebenfalls am 30./31. März 1942 mit ihrer Familie über Bielefeld nach Warschau verschleppt.

„...Wann ich nach drüben komme, weiß ich noch nicht. Zuerst hieß es, meine Nummer (Registriernummer für USA-Einwanderer) käme im Herbst dran, doch nun hat es sich schon auf nächstes Jahr verschoben. Wann wird es nun wirklich sein? Eine große Beruhigung für mich ist, dass Richard (der Bruder) mir jetzt geschrieben hat, dass meine Verwandten in Waco mich erwarten. Nun ist meine Angst vor drüben nicht mehr so groß. Du schreibst, Du bewunderst meinen Mut, ja, was soll man machen, man muss weiter und immer nach vorne schauen. Wie alles war und zurückblicken darf man gar nicht. Überhaupt muss man versuchen, nicht zum Nachdenken zu kommen. Vielleicht scheint auch noch mal für mich die Sonne. Wenn es auch nicht mehr hier ist, dann vielleicht in meiner zukünftigen Heimat. Wenn man diese Hoffnung nicht hätte, könnte (man) verzweifeln. Hier kann ich nichts Gutes mehr vom Leben erhoffen[...]
Herzl. Grüßen Dein Lonnele“

~Brief von Leoni Warschauer an Hans Loeb

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 Magdalene Grundmann

Magdalene Grundmann, die Schwester von Leoni, wurde am 18. Mai 1916 in Offenbach geboren. Sie litt unter Lungenleiden und war deshalb oft in Sanatorien oder zur Kur. 
Sie wurde am 31.3.1942 ins Ghetto Warschau deportiert und genau wie ihre Familie in Auschwitz oder Treblinka ermordet.

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Selma Grundmann 

Selma Grundmann, deren Geburtsname Hirsch lautet, wurde am 10. Juni 1883 in Sachsenhausen geboren.
Selma führte eine kinderlose Ehe mit Max Grundmann. Sie lebte mit ihrem Mann und der zweiten Ehefrau des verstorbenen Michel Grundmann, Minna Grundmann, in einem Haus in der Moltkestraße 2. In diesem Haus lassen sich noch heute am Giebel die Initialen „M.G.“ des Erbauers Michel Grundmann erkennen. Dieses Haus musste im Zuge der Arisierung jüdischen Grundbesitzes zwangsverkauft werden. 
Nach dem Tod ihres Mannes, der bereits 1936 starb und einen Grabstein auf dem Vlothoer Judenfriedhof besitzt, lebte sie verwitwet in der Mühlenstraße 18. Von dort aus zog sie 1937 nach Opladen.

Im Jahr 1941 wurde sie wie viele andere Juden nach Riga deportiert und gilt seit dem als verschollen. 
Ihr Gedenkstein befindet sich im Gehweg vor dem heutigen Gemeindehaus der evangelisch- reformierten Gemeinde.


Initialien M.G. für Michel Grundmann

Haus in der Moltkestraße, wo auch der Stolperstein von Selma Grundmann liegt.

                                                                                           Weitere bedeutende Personen der Familie Grundmann ohne Stolperstein:

Mendel Grundmann III 

Mendel Grundmann III (einer von drei Personen, die in der Familie Grundmann der Vornamen Mendel besaßen) ist am 8. März 1844 geboren, starb am 8. Oktober 1914 und war mit Betty, einer geborenen Leszynsky, verheiratet . Er lebte in Vlotho in der Langen Straße 148 und führte nach dem Tod seines Vaters die Plattenmühle in Hollwiesen Nr. 37 weiter. Diese verkaufte er 1900 an Ernst Krüger. Im Jahr 1909 gründete er die Firma „Mendel-Grundmann-Grottenstein- und Wesersandsteinbrüche“. Zudem wurde die Mendel-Grundmann Straße nach ihm benannt, die zwischenzeitlich „Deutsche Straße“ hieß. Darüber hinaus wurde für ihn ein Mahnmal für jüdische Opfer im Nationalsozialismus 1965 errichtet. Ebenfalls wurde eine Gesellschaft mit seinem Namen gegründet, die sich mit der Geschichte der Vlothoer Juden befasst. Mendel besaß ein hohes Maß an sozialer Einstellung, wurde als „wohlhabender Wohltäter“ bezeichnet und war als großzügiger Verpächter bekannt. Diesen Ruf bekam er durch den Besitz von viel Land in Vlotho und der Umgebung. Außerdem verkaufte er sein Gelände als Bauland zum fairen Preis und ermöglichte somit Zigarrenarbeitern und Handwerkern den Besitz eines eigenen Hauses. Von 1900-1910 entstanden an der heutigen Weidestraße zehn Eigenheime für Arbeiter. Er war Mitglied des Vlothoer Männergesangsvereins vor dem ersten Weltkrieg und blieb nach seinem Tod als „wohlhabender Jude mit einer vorbildlichen sozialen Einstellung“ in der Erinnerung vieler Vlothoer Bürger.

Richard Grundmann

Richard Grundmann wurde am 22. Dezember 1914 in Offenbach am Main geboren und ist im Jahr 1992 gestorben. Er wanderte bereits 1937 nach Konflikten mit der NS Jugend mit gesundheitlichen Problemen in die USA aus und konnte sich somit vor den Vernichtungsplänen der Nationalsozialisten retten.
Seine Familie erhielt nur wenig Briefe von ihm und vermutlich verdiente er sich seinen Lebensunterhalt als Chauffeur. Hans Loeb schrieb, dass Richard gut aussieht, woraufhin sich seine Familie keine Sorgen machte.
Weitere Informationen zu ihm finden Sie hier

RUDOLF GRUNDMANN

Rudolf Grundmann wurde am 23. April 1915 in Vlotho geboren und ist am 24. Februar 1980 in Großbritannien gestorben. Er war mit Margarethe, einer geborenen Goldschmidt, verheiratet und hatte keine Kinder.

Er war als Kaufmann tätig und sehnte sich danach, in die USA auszuwandern und hatte bereits eine Schiffskarte nach Übersee gebucht. Als 23-Jähriger musste er die Gewalttaten der Nationalsozialisten beim Novemberpogrom miterleben. Anschließend wurde er verhaftet und ins KZ Buchenwald verbracht. Am 24.12.1938 wurde er entlassen und wollte daraufhin Deutschland verlassen.  Er kam mithilfe seines Bruders und nach einiger Verzögerung am 30.03.1939 nach England. Nach langen Bemühungen konnte er seine Verlobte Margarethe Goldschmidt im August 1939 nach Großbritannien holen und sie dort 1942 heiraten. In Großbritannien war er unter dem Namen „Ralph“ bekannt und auch nach seinem Tod bestand enger Kontakt zwischen seiner Frau und der Mendel-Grundmann Gesellschaft.

„Wir sind damit einverstanden, dass die von Ihnen angeregte Stiftung den Namen unseres Großonkels Mendel Grundmann trägt und zwar [...] als Stellvertreter oder Repräsentant der früheren Vlothoer Juden“
~Brief von Rudolph/Ralph Grundmann aus England, in dem er seine Zustimmung zur Namensgebung der Mendel-Grundmann Gesellschaft gibt.

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Zwischenzeitlicher Wohnort von Erich Grundmann und Familie; Herforder Straße 99 (früher Bonneberg 16)

Quellen:

https://www.mendel-grundmann-gesellschaft.de/
Literatur „Sie waren Bürger unserer Stadt“ / Manfred Kluge
Literatur „Nationalsozialismus in Vlotho“ / Manfred Kluge
Luftaufnahmen der Orte: Apple Karten

Stina Brandt und Laura Treu