JUDENHÄUSER
Als „Judenhäuser“ wurden im Dritten Reich meistens mittelgroße Häuser bezeichnet, die mehrere Familien gleichzeitig beherbergten. Die Bewohner waren Juden, die im Zuge der „Arisierung“ ihre Häuser hatten verkaufen müssen und dabei von dem Nazi-Regime ausgebeutet wurden. Ziel war es, die Juden mit diesen Demütigungen aus ihrer Heimat zu vertreiben. Daraufhin wurden sie in sogenannten Judenhäusern zwangseingewiesen und untergebracht. Dort lebten sie auf engstem Raum miteinander, wobei unzumutbare Lebens- und Hygienebedingungen herrschten. Die Zeit in den „Judenhäusern“ lässt sich als "Übergangszeit" zwischen der Entwendung der eigenen Wohnhäuser und schlussendlicher Deportation in verschiedene Vernichtungslager bezeichnen.
"Judenhaus" Lange Straße 83
Ehemalige Besitzer: Familie Heynemann
In Vlotho gab es insgesamt drei dieser „Judenhäuser“. Sie befanden sich im Haus der Familie Silberberg, Lange Straße 81, im Haus der Familie Heynemann, Lange Straße 83 und im Haus der Familie Speier, Höltkebruchstraße 9. Alle drei Häuser stehen auch heute noch.
"Judenhaus" Lange Straße 81
Ehemalige Besitzer: Familie Silberberg
Sophie Mosheim schreibt zur Einrichtung der „Judenhäuser“ und Wohnsituation in den „Judenhäusern“ an ihren Sohn Herbert am 17. Dezember 1940 (Mosheim-Briefe):
„Mein lieber Herbert!
Heute habe ich wirklich eine Neuigkeit für Dich. Die Stadt hat uns veranlasst, ihr unser Haus an der Hochstraße zu verkaufen. Und jetzt wohnen wir seit dem 14. Dezember bei den Silberbergs, Lange Straße 81… Die alte Frau Silberberg zog nach oben, Willi und Familie auch. Ich bekam die zwei unteren Räume, Wohnzimmer und Küche. Wenn Du ins Haus kommst, hat Frau Silberberg einige Räume auf der linken Seite, und auf der rechten sind Erich und Dora (Grundmann). Sie haben auch ein Wohnzimmer und eine Küche. Die Schlafzimmer sind winzig und primitiv. Aber man muss zufrieden sein, und wir fühlen uns hier schon ein bisschen heimisch. Mein Wohnzimmer ist sehr klein: ein Tisch, ein paar Stühle, ein Sessel und unser Dauerbrenner, der uns sehr nützlich ist. Das Gute ist, dass das Zimmer schnell warm wird…“
Zunächst wurde dieses Vorgehen noch als harmloser Umzug dargestellt, jedoch war es in Wirklichkeit eine höchste Art der Diskriminierung und ein deutliches Zeichen der Ausgrenzung der Juden aus der Gesellschaft. Es galt das Motto: „Juden dürfen nur noch in Judenhäusern wohnen!“. Dabei stellten die engen Wohnverhältnisse für die in bisher gutbürgerlichen Verhältnissen lebenden jüdischen Personen eine große Entwürdigung und gewollte Demütigung dar.
Die Begründung dieser Zwangsmaßnahme von Seiten der Amtsverwaltung lautete, man wolle Wohnraum für kinderreiche deutsche Familien schaffen.
In Wirklichkeit jedoch diente die Einrichtung dieser „Judenhäuser“ letztlich der reibungslosen Durchführung der bevorstehenden geplanten Deportationen.
Jannis Bachmann, Ben Janzen
"Judenhaus" Höltkebruchstraße 9
Ehemalige Besitzer: Familie Speier