Emma Juchenheim, geb. Steinberg
Emma Juchenheim war Großmutter und erfolgreiche Geschäftsfrau, die im hohen Alter von 88 Jahren durch das NS-Regime getötet wurde.
Emma Juchenheim wurde am 27.01.1855 als Emma Steinberg geboren und heiratete Levi Abraham Juchenheim. Das Ehepaar Juchenheim hatte drei Kinder: Selma, Paul und Alwin. Schon 1935 zog Emma Juchenheim zu Verwandten nach Zaandam in Holland, wo sie bis zu ihrer Auswanderung mit ihrem Mann das Geschäft der Familie Juchenheim betrieb. 1943 wurde sie in Westerbork interniert. Am 13.04.1943 wurde sie nach Sobibor deportiert, wo sie am 16.04.1943 im Alter von 88 Jahren ermordet wurde.
Auf dem oberen, linken Foto sehen Sie Emma mit ihrem Enkel Hans (rechts) und einem Freund.
Alwin Juchenheim
Alwin Juchenheim war ein erfolgreicher Geschäftsmann, der im Alter von 55 Jahren durch das NS- Regime getötet wurde.
Alwin Juchenheim wurde am 03.10.1889 geboren. Mit seiner Ehefrau Paula Juchenheim, geborene Katzenstein, übernahm er das Geschäft seines Vaters Levi Juchenheim und entwickelte sich zu einem erfolgreichem Geschäftsmann. Er wurde am 13.12.1941 nach Riga, dann Kaunas und schlussendlich Dachau deportiert, wo er am 06.12.1944 im Alter von 55 Jahren ermordet wurde.
Paula Juchenheim, geb. Katzenstein
Paula Juchenheim ist die Mutter von Lore und Hans Juchenheim. Sie wurde im Alter von 41 Jahren durch das NS-Regime getötet.
Paula Juchenheim wurde am 08.11.1902 als Paula Katzenstein in Lemgo geboren. Sie war mit Alwin Juchenheim verheiratet und die Mutter von Lore und Hans Juchenheim. Über ihr Leben ist leider nicht viel bekannt, lediglich, dass sie am 13.12.1941 nach Riga und kurze Zeit später nach Kaunas deportiert wurde, sowie später am 19.07.1944 nach Stutthoff. Ihr genaues Todesdatum ist bis heute unbekannt.
Lore juchenheim
Lore Juchenheim wird als hübsches, schlankes Mädchen beschrieben, das gerne Klavier spielte und Ballett tanzte und im Alter von 18 Jahren durch das NS-Regime getötet wurde.
Lore Juchenheim wurde am 25.02.1926 in Bad Salzuflen geboren und besuchte das Gymnasium in Vlotho (damals noch "Höhere Stadtschule"). Sie wechselte dann jedoch nach Bad Oeynhausen, wo sie bis zum Schulverbot 1938 blieb. Sie floh 1938 mit ihrem Bruder in die Niederlande zu Verwandten, kam jedoch am 06.12.1941 auf Wunsch ihrer Eltern zurück und wurde nur eine Woche später am 13.12.1941 nach Riga und später Kaunas deportiert. Sie gilt, wie ihre Mutter, seit ihrer Ankunft im KZ Stutthoff am 19.07.1944 als verschollen.
Hans Juchenheim
"Hansemann" wird als ein freundlicher, aufgeweckter Junge beschrieben, der im Alter von 16 Jahren durch das NS-Regime getötet wurde.
Hans Juchenheim wurde am 25.10.1928 in Bad Salzuflen geboren und musste schon in der dritten Klasse auf eine jüdische Schule wechseln, da Juden seit 1938 nicht mehr auf öffentliche Schulen gehen durften. Er floh 1938 mit seiner Schwester in die Niederlande zu Verwandten, kam jedoch am 06.12.1941 auf Wunsch seiner Eltern zurück und wurde nur eine Woche später am 13.12.1941 nach Riga, später Kaunas und letztlich am 01.08.1944 nach Dachau deportiert. Er überlebte zwar das KZ, starb aber am 02.06.1945 an Fleckfieber als Folge seiner Zeit im KZ.
Paul Juchenheim
Paul, der ältere Bruder von Alwin und der Onkel von Lore und Hans, genannt "zappel", war ein Mensch mit auffälligem verhalten, der im alter von 55 jahren durch das ns-regime getötet wurde
Paul, auch „Zappel“ genannt, wurde am 28.08.1888 als Sohn von Emma und Levi Juchenheim geboren und besuchte zuerst das jüdische Internat in Wolfenbüttel und danach die jüdische Privatschule auf Norderney. Er begann dort zwar eine kaufmännische Lehre, brach diese aber ab und entschied sich, Artist zu werden. Auch mit seiner Familie hatte er Streit, da er eine Christin heiratete. Er wanderte schon 1936 in die Niederlande aus. Seine Frau Friederike Überwasser folgte ihm 3 Monate später. Sie wurde zunächst im Gefängnis festgehalten, da Paul nicht auffindbar war. Am 09.04.1943 wurde er in Amsterdam von einem Unteroffizier erschossen, nachdem er mit deutschen Wehrmachtsangehörigen in einen Streit geraten war.
Familie Juchenheim
Ein Kurzer Überblick
Die Familie Juchenheim war eine recht wohlhabende Familie mit einem gewissen Bildungsanspruch.
Alwin Juchenheim führte gemeinsam mit seiner Frau Paula Juchenheim, geb. Katzenstein, den von seinem Vater gegründeten Getreide- und Futtermittelhandel "Juchenheim & Co" weiter, der sich gegenüber dem Güterbahnhof, damals Lange Straße 16, befand. Die Familie Juchenheim besaß auch schon ein Auto und einen LKW. Ihre Kinder Lore und Hans sind somit in relativem Wohlstand aufgewachsen.
pogrom 1938
Das Haus der Familie Juchenheim wurde völlig verwüstet. Da ihr Haus später zerstört wurde, liegen ihre Stolpersteine heute vor der Kulturfabrik (Lange Straße 53).
Durch die Erzählungen einer engen Freundin von Lore, Ursula Credo, die damals in der Nachbarschaft wohnte, erhalten wir einen verhältnismäßig guten Eindruck von der Familie, zumal Ursula bei der Familie ein und ausging, mitaß und gelegentlich sogar dort schlief.
So berichtete sie zum 10.11.1938, als in Vlotho die Synagoge zerstört, das Geschäftshaus Loeb überfallen und die Wohnungseinrichtungen in vielen jüdischen Häusern und Mietwohnungen demoliert wurden, folgendes:
„An dem Tage habe ich Lore wieder am Bahnsteig abgeholt. Sie kam ja immer um 14:25 Uhr mit dem Zug von Oeynhausen. Ich habe sie gleich zu uns ins Haus geholt. Ich habe ihr erzählt, dass in Vlotho Ausschreitungen gegen Juden vor sich gingen. Auch im Hause Juchenheim war es schlimm zugegangen. Eine Gruppe von Nationalsozialisten war in das Haus eingedrungen und hatte die Wohnungseinrichtung demoliert: Die Standuhr wurde umgeworfen, Kristall, das auf dem Büfett stand, wurde zerschlagen, das Klavier beschädigt: alle Tasten standen hoch! Das Silber wurde aus den Schubläden gerissen und auf den Boden verstreut. Die große Diele im Haus lag voller Besteck und Geschirr, das zum Teil zerschlagen war. Frau Juchenheim war mit ihrem Sohn Hans aus dem Haus in Richtung Werder geflüchtet. Sie muss aber unterwegs misshandelt worden sein, denn sie klagte später über starke Schmerzen am Rücken. Der Vater, so glaube ich, war, wie die anderen jüdischen Männer, aus Vlotho abgeholt worden.“
Nach dem Reichspogrom
Nach dem Schock des Novemberpogroms brachten die Eltern die Kinder Lore und Hans im Januar 1939 nach Holland zu der Familie Eisendraht in Zandaam. Dort hielt sich bereits ihre Oma, Emma Juchenheim, bei der Tochter Selma auf. So lebten Lore und Hans Juchenheim zusammen mit ihrer Großmutter bei Tante und Onkel in Holland in relativer Geborgenheit. Aber im Mai 1940 wurde Holland von deutschen Truppen besetzt. Bemerkenswert ist, dass die Kinder trotzdem bis zum 06.12.1941 in Holland verblieben und dann erst nach Vlotho zurückkehrten. Ende Dezember 1941 erfolgte die erste große Massendeportation von Juden in den Osten. Von Bielefeld aus sollte ein Transport von etwa 1000 Personen nach Riga zusammengestellt werden. Aus Vlotho wurde als erste Familie, die überhaupt deportiert wurde, die Familie Juchenheim ausgewählt.
Über die dramatische Entwicklung berichtet Ursula Credo:
„Anfang Dezember 1941 erhielt die Familie Juchenheim die amtliche Mitteilung, sich für den Transport in den Osten bereit zu machen. Da holten die Eltern die Kinder Lore und Hans, die ja zu der Zeit noch in Holland waren, zurück. Als die Kinder wieder hier waren, habe ich gleich versucht, mit Lore und Hans Kontakt aufzunehmen. Da habe ich an Herrn Juchenheim die Frage gestellt: ‚Warum haben Sie Lore und Hansemann zurückgeholt?’ Daraufhin hat Herr Juchenheim geantwortet: ‚Wenn wir gehen müssen, gehen wir zusammen!’
Ich erinnere mich noch, dass ich auf dem Bahnsteig war, als die Familie Juchenheim in den Zug einstieg. Frau Juchenheim stieg als letzte ein. Ich weiß noch, dass eine kleine Stadttasche mit Proviant auf dem Bahnsteig zurück blieb. Frau Juchenheim hatte sie in ihrer Aufregung vergessen..."
Der Stammbaum bietet einen Überblick über die Familienverhältnisse, die Steckbriefe bieten Einblicke in das Leben der einzelnen Familienmitglieder. (Über den benannten Willy Juchenheim ist nichts bekannt, außer, dass er in San Francisco lebte.)
Quellen:
- "Sie waren Bürger unserer Stadt" Beiträge zur Geschichte der Juden in Vlotho, sowie das dazugehörige Gedenkbuch
- Sobibor.de
Von Sven Tschötschel und Maximilian Schaffrin.