Deportationen aus Vlotho

Als Deportation wird die zwangsweise Verschleppung von Menschen in vorbestimmte Aufenthalte durch die eigene staatliche oder eine fremde Besatzungsmacht gemeint. 

Unter der NS-Herrschaft wurden 4,5 Millionen Juden sowie Angehörige anderer Bevölkerungsgruppen (Sinti und Roma, Polen, Widerstandskämpfer,u.a.) vorerst in Zwangsarbeitslager, später hauptsächlich in Ghettos sowie Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert. 


Auf dieser Seite finden sie Informationen über den Ablauf der Deportationen sowie über jede der drei Deportationen aus Vlotho.

Ablauf der Deportationen

Die Ausführung und Organisation der Deportationen war streng hierarchisch eingeteilt.

Das Reichshauptamt lieferte zwar die Richtlinien und traf grundsätzliche Entscheidungen, die Organisation und Durchführung lag jedoch bei den Leitstellen der Staatspolizei bzw. der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) sowie deren Außenstellen. Für die Stadt Vlotho war zuständig die Gestapoleitstelle Münster mit der Außenstelle Bielefeld.
Der Sammelpunkt für die Deportationen war ebenfalls in Bielefeld.

Die politischen Sachbearbeiter der Kreise bzw. kreisfreien Städte erhielten dafür ihre organisatorischen Funktionen persönlich vom Leiter der Gestapoaußenstelle Bielefeld, Ernst D. Dieser legte auch den Ablauf und die Anordnungen für die Behörden, welche beteiligt waren, in einem Dokument fest.

So heißt es zum Beispiel, dass die „begleitenden Exekutivbeamten“ den Transport in ziviler Kleidung und möglichst mit der Eisenbahn durchzuführen haben. Zudem waren dort für die Juden strenge Regelungen, wie viel und was sie an Gepäck mitnehmen durften, festgelegt:
Die Gepäckmenge war auf 25kg begrenzt, weshalb viele Personen mehrere Kleidungstücke übereinander anziehen mussten. Sie durften zwar 2 Schlafdecken mitnehmen, diese mussten jedoch im Gewicht der 25kg enthalten sein. Außer ihrer Kennkarte war es ihnen auch nicht gestattet Papiere mitzunehmen. Zudem durften sie nur Verpflegung für zwei Tage mitnehmen. In dem Dokument ist auch festgelegt, dass ein Beamter alle Wertgegenstände (Bargeld, Schmuck, etc.) außer den Eheringen einzusammeln hat. Dazu musste eine Quittung ausgestellt werden.

Beim Verlassen der Wohnung musste zudem darauf geachtet werden, dass Gas, Wasser sowie Licht abgestellt und die Wohnungen verdunkelt sowie versiegelt sind.
Daran wird vor allem die systematische Ausbeutung der Juden, und dass ein schnelles Wiederkommen nicht vorgesehen war, deutlich.

Die drei Deportationen

Insgesamt gab es drei Deportationen aus Vlotho. Bei einem Klick auf das Plus (siehe unter dem Bild) können sie näheres zu der jeweiligen Deportation erfahren.

Deportation nach Riga, Einstieg in den Zug am 13.12.1941 am Bielefelder Bahnhof
Stadtarchiv Bielefeld)

Deportation vom 13.12.1941

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Diese Deportation war die erste Deportation aus Vlotho. Sie betraf die Familie Juchenheim.

Ende November erhielt sie die Anordnung, sich für eine Deportation bereitzuhalten. Die Kinder von Alwin und Paula Juchenheim, Lore (15) und Hans (13), befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch in den Niederlanden und wurden daraufhin von ihren Eltern zurück nach Deutschland geholt.
Am 6. Dezember waren die beiden wieder zurück in Vlotho und bereits am 10. Dezember wurde die Familie mit Polizeibegleitung nach Bielefeld gebracht.

Der Sammelpunkt für diese Deportation war die Gaststätte Kyffhäuser am Kesselbrink in Bielefeld. Die 420 jüdischen Personen aus dem Stapobezirk Bielefeld verbachten dort drei Tage in einem mit Stroh ausgelegtem Saal.

Am 13.12.1941 fuhr ein Zug mit diesen Personen Richtung Riga. Sie durften dabei nur ihr Handgepäck mitnehmen.

Deportation vom 31.03.1942

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Die zweite Deportation aus Vlotho betraf 11 Personen. Darunter waren: Familie Grundmann, Leoni Warschauer, Gerda Mosheim, Familie Speier und Gertrud sowie Ruth Windmüller. Diese Deportation führte ins Warschauer Ghetto. Insgesamt wurden 325 Juden aus Ostwestfalen, 36 davon aus dem Kreis Herford, deportiert.

Auch dieser Transport fand unter denselben Bedingungen statt. Am 30.3.1942 sollten die Personen zur Gaststätte Kyffhäuser gebracht werden.

Der Zug führte über Hannover, wo noch einmal 500 jüdische Personen zustiegen. Unter diesen Personen befand sich auch Hilde Kohlberg (geb. Mosheim), eine Verwandte von Gerda Mosheim und Dora Grundmann (geb. Mosheim), welche sich ebenfalls in diesem Zug befanden.

Deportation vom 31.07.1942

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Die Deportation am 31.7.1942 war die letzte der drei Deportationen aus Vlotho.

Mit diesem Transport wurden die letzten jüdischen Personen aus Vlotho in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Es waren vor allem alte Personen, da die Anordnung für diesen Transport lautete, dass „über 55 Jahre alte Juden mit Ehegatten und ihre Kinder unter 14 Jahren“ nach Theresienstadt deportiert werden sollten.

Folgende Personen wurden aus Vlotho deportiert: Samson & Hedwig Heynemann, Hedwig Levi, Moses Mosheim, Oskar Rosenwald, Louis Steinberg sowie die Familie Silberberg.

Davon überlebten lediglich Henny & Jutta (Marianne) Silberberg die Deportation und den Aufenthalt in verschiedenen Konzentrationslagern.

Auch diese Deportation war genauso organisiert wie die anderen beiden, abgeholt wurden die Personen am 29.7.1942.

Einige der jüdischen Personen verstarben in Theresienstadt, andere wurden weiter in andere Konzentrationslager verschleppt.

Quellen:
Texte:
Einführungstext: Learn Attack Online Schülerlexikon Geschichte, URL: https://learnattack.de/schuelerlexikon/geschichte/deportation (08.04.2021)
Meynert, J.: Was vor der „Endlösung“ geschah, S.252/253, in: Kluge, M./MGG e.V. (Hg.), Sie waren Bürger unserer Stadt, Vlotho 2013, S. 220
Wagner, Bernd J.: Abfahrt in den Tod, in: Neue Westfälische vom 12.12.2011, URL: https://www.nw.de/lokal/bielefeld/mitte/5530625_Abfahrt-in-den-Tod.html (20.01.2021)
Meynert, J.: Was vor der „Endlösung“ geschah, Dok.41, S.187f., in: Kluge, M./MGG e.V. (Hg.), Sie waren Bürger unserer Stadt, Vlotho 2013, S. 220/221
Gottwald, A./Schulle, D.: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, S.267., in: Kluge, M./MGG e.V. (Hg.), Sie waren Bürger unserer Stadt, Vlotho 2013, S. 227
Kluge, M./MGG e.V. (Hg.), Sie waren Bürger unserer Stadt, Vlotho 2013, S.214 - S. 233
Abbildungen:
Abb. 1: Zur Verfügung gestellt von: Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 300,11/Kriegschronik der Stadt Bielefeld, Nr. 4: Kriegschronik 1941, Bd. 2. 

Oliver Augustin und Patric Bortel